Die Festungen des Sultanats

Oman liegt im Südosten der arabischen Halbinsel. Seine nördliche, vom Sultanat durch die Vereinigten arabischen Emirate getrennte Halbinsel Musandam hat an der Strasse von Hormus enorme strategische Bedeutung. Wie auch das 300 000 qkm grosse, etwa 1,5 Mio Einwohner zählende Land überhaupt, denn an seiner 1600 km langen Küste am Arabischen Meer muss ein beträchtlicher Teil des Schiffsverkehrs von und nach Europa vorbei.

Die Omanis sind eine alte Seefahrernation. Schon vor 10 000 Jahren fuhren ihre Handelsschiffe bis nach Mesopotamien. Vom 7. Jahrhundert an mehrten sie Reichtum und Macht aufgrund ihres Seehandels, begründet auf ihren Fähigkeiten sehr seetüchtige Schiffe zu bauen. 1507 wurde Oman von den Portugiesen entdeckt, die es später teilweise besetzten.

Im Jahre 1650 schliesslich vereinigten sich des Landes Stammeskrieger zum Kampf gegen die Eroberer. Portugal verlor nicht nur seinen Besitz in Arabien, sondern auch Niederlassungen in Ostafrika und Sansibar, denn die omanische Flotte nützte den Sieg der Landstreitkräfte aus und griff die Portugiesen auch auf dem schwarzen Kontinent erfolgreich an. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts erstreckte sich der Einfluss Omanischer Sultane von Ostafrika über den Indischen Ozean bis nach Südpersien und Belutschistan.

1960 wurde Öl entdeckt, mit dem Export aber erst 1967 langsam begonnen, denn Sultan Said bin Taimur hielt die Grenzen dicht und fremden Einfluss von seinem Volke fern, regierte wie ein mittelalterlicher Herrscher. Viele Omanis waren ausser Landes gegangen; das Sultanat gehörte zu den ärmsten Staaten der Erde. Opponenten sassen im Gefängnis. Sohn Qaboos schickte den Vater 1970 in`s englische Exil und öffnete gleichzeitig seinem Land die Tür in`s 20. Jahrhundert.


Die Erhaltung archäologischer Fundstätten, alter Waffen und der landestypischen Architektur gilt besondere Aufmerksamkeit. Oman stellte und stellt nicht unerhebliche Geldmittel für Wiederaufbau und Erhaltung seines historischen Erbes bereit. Die majestätisch und mächtig wirkenden Festungen gehören zu den architektonischen Denkmälern der ehemaligen Seemacht Oman.

Viele Wehrburgen waren in denkbar schlechtem baulichen Zustand geraten. Damit der Nachwelt nicht alle verloren gingen, führt die Regierung seit 1978 mit ausländischen Experten einen speziellen Wiederaufbau7- und Erhaltungsplan durch. Einfallendes Mauerwerk wurde repariert, abbrechender Putz erneuert und Zerfallenes ausgebessert. Ein nicht immer einfaches Unterfangen, weil zeitgemäße Baumaterialien sich mit dem alten Mauer- und Deckenwerk verbinden mussten.

Omans Festungen entstanden einmal während der portugiesischen Herrschaft im 16. Jahrhundert oder wurden durch die darauf folgende Ya ' ariba-Dynastie erbaut. Doch eine Reihe der heute im Sultanat erhaltenen Forts sind noch wesentlich älter. Bei zwei der bedeutendsten Beispiele - Bahla und Rustaq - wurde mit dem Bau in der sog. vorislamischen Zeit (622 n. Chr. ) begonnen. Mehr oder weniger stark zerstört, bauten die Herrscher der Ya' ariba-Dynastie beide im 17. Jahrhundert wieder auf. Die sich von einer prächtigen Bergkulisse abhebende, Stadt und Oase überragende Feste Rustaq war der damalige Festungspalast von Iman Sultan bin Saif und ist heute Sitz des (mit dem deutschen Landrat vergleichbar) Walis. Rustaq ist einer der am besten erhaltenen und imposantesten Bauwerke in Oman.

Festung Bahla


Bahla, die zweite Festung vorislamischen Ursprungs liegt auf der anderen Seite des Bergmassivs Jabal Akhdar. War es zu Zeiten der Ya' ariba-Herrschaft ein prächtiges Bauwerk, so ist ehemaliger Glanz heute nur noch an zwei einigermaßen erhaltenen Räumen zu erahnen. Allerdings ist an der weitläufigen, Bahla und das weite Tal beherrschenden Ruinenanlage schon aus der Ferne die ehemalige Bedeutung dieser einst wichtigen Feste zu erkennen. In Bahla soll es noch heute Leute geben, welche die verfallenen Gemäuer nicht betreten, weil sie ihr Unwesen treibende Hexen und Teufel dort vermuten.

Fort Nizwa


Unter der Herrschaft des Ya' ariba-Hauses entstanden also im 17. und 18. Jahrhundert eine Reihe mächtiger Festungen. Fort Nizwa, seine Baugeschichte soll bis ins 12. Jahrhundert zurückreichen, wurde von Imam Sultan bin Saif, dem ersten der Ya'ariba-Herrscher im zerstörten Zustand wieder aufgebaut. Sein überaus großer runder Turm wacht erdrückend über den grünen Gärten und Dattelpalmen der inzwischen zur Stadt gewachsenen Oase. In seinen Mauern befinden sich zwei tiefe Kerker in welchen die Gefangenen mit Seilen vom oberen Schiesschartenring aus hinunter gelassen wurden. Schwere eisen umfassende Luken wurden anschließend über den Verlorenen zugeschlagen.

Festung Jabrin


Als Omans schönstes und reizvollstes Festungsbauwerk gilt zweifellos Jabrin, erbaut vom zweiten Herrscher des Ya' ariba-Hauses, Imam Bil Arab bin Sultan bin Saif al Yarubi. Mehr als alle anderen Festungen Omans ähnelt diese schon äußerlich viel eher einem alten Palast für herrschaftliches Wohnen in Friedenszeiten als einem Bollwerk gegen anstürmende Heerscharen. Doch auch Jabrins meterdicke Mauern sollten Kanonenfeuer standhalten.

Das mit Ornamentverzierungen ausgeschmückte Jabrin wurde um 1670 erbaut. Architektonisch gut gelungene Fenster mit quadratischem Gitterwerk zwischen Fensterpfosten fallen dem Besucher ebenso auf wie die kunstvoll mit Blumen, Schnörkeln und Bogen bemalten Sandelholz- und Stuckdecken. Reichlich verzierte Türeingänge im Mogulbaustil schmücken gewölbeähnliche Durchgäne und Korridore. Des Sultans guter Geschmack und sein Sinn für Wohnkultur erkennt der Besucher an einem für damalige Verhältnisse erstaunlich geschickt gebautem Belüftungssystem. Die Damengemächer hatten eigene Wasserversorgung.

Sehenswert im Jabrin-Palast sind das Sonne- und Mondzimmer und Sultan Bil Arabs Privatgemach im obersten Teil der Burg. Es bietet herrliche Aussichten über weite Ebenen bis hinüber zu den Massiven des Jebel Adbar (grüne Berge). Bil Arab wurde in Jabrin beerdigt. Kunstvolle Gipsverzierungen schmücken das Grab dieses friedliebenden Herrschers, dessen Hauptanliegen die Förderung von schulischer Erziehung, der Wissenschaften im intellektuellen und religiösen Sinne war.

Festung Al Hazm


Wirkliches Gegenstück zum schlossähnlichen Jabrin ist die trutzige Feste Al Hazm. Ihre dicken Mauern wurden gebaut um angreifenden Heeren zu widerstehen und nicht unbedingt als Sultanswohnsitz. Dieses eindrucksvolle Bauwerk (Ya'ariba-Dynastie) musste die weite bis zur Küste hin reichende Ebene beherrschen. Hoch ragt Al Hazm aus der es umschliessenden Dattelpalmenoase heraus. Ein kleines Dorf liegt im Schatten seiner mächtigen Mauern. Man erreicht es über eine staubige 2km von der Hauptstrasse abzweigende Piste.

Die schweren hohen Holztore der Festung sind mit Eisenköpfen beschlagen und tragen wunderschöne Schnitzereien. Durch im Mauerwerk eingelassene Schlitze wurde zur Abwehr anstürmender Angreifer kochendes Öl oder heisser Honig gegossen. Im Erdgeschoss liegen zwei kreisrunde Räume deren Deckengewölbe die darunterliegenden Kanonentürme stützen. Der erste Raum nahe beim Eingang diente der Honigherstellung. Damals wurde Honig gewonnen, indem man auf dem Erdboden liegende Datteln vergären ließ. Dabei entstehender Saft lief in darunter stehende Bottiche. Diese Fässer wurden im anschließenden zweiten Raum gelagert. Noch heute riecht es hier eigenartig süßlich. Die Mauern sind im Laufe langer Zeit vom flüssigen Honig buchstäblich imprägniert worden.

El Hazm hat zwei kreisrunde, großartige Kanonentürme, deren in der Mitte stehende runde Pfeiler mit kunstvoll verschnörkeltem Stuckwerk geschmückt sind. Die immer noch in den Türmen liegenden fünf portugiesischen bzw.  spanischen Kanonen sollen im Jahr 1870 von den Maskat-Festungen herüber gebracht worden sein.

So wie Bil Arab seine letzte Ruhe in Jabrin fand, so liegt Sultan bin Saif in El Hazm begraben. Aber von der friedlichen Ruhe an Bil Arabs Grabstätte in Jabrin ist kaum etwas in El Hazm zu spüren. Ein ungutes Gefühl befällt den Fremden in Sultan bin Saifs Grabkammer, wenn er erfährt, dass gegenüber dem Grab des Sultans, das seiner Tochter liegt. Er hat sie bei lebendigem Leibe eingemauert, weil sie ihren als Frau verkleideten Liebhaber in die Frauengemächer gelassen hatte.

Und wer im obersten Stockwerk der Festung einen kleinen nischenartigen Alkoven als Anfang eines tiefen brunnenähnlichen Schachtes erkennt, bekommt vielleicht auch in arabischer Hitze eine Gänsehaut. Übeltäter wurden, mit Bleigewichten beschwert hinuntergeworfen, und starben in tiefer Erde eines grauenvollen Todes.

Festung Nakhl


Von allen inländischen "Wehrburgen" liegt die in ihren Mauern, Türmen und Hauptgebäuden weitgehen unversehrt erhalten gebliebene Feste Nakhl landschaftlich wohl am schönsten. Gebaut auf einem Hügel des Nordwestabfalles der Jabal-Nakhl-Berge steht sie wie ein Wächter am Übergang des flachen Küstenlandes zu Omans Bergen.

Ob man durch die Gassen des gleichnamigen Marktfleckens streift oder über Wege und schmale Flußpfade durch die Oase geht, immer wieder eröffnen sich von der Talsohle aufs neue Bilder von Fort Nakhl. Wer sich aber Zeit nimmt und an mindestens zwei verschiedenen weit auseinander liegenden Stellen morgens und abends in die in unmittelbarer Nähe Berge klettert, erkennt dann die wirklichen Ausmaße dieser Festung. Dabei gehört nach den Erlebnissen des Autors ein Sonnenuntergang über Nakhl zu den beeindruckensten Erlebnissen einer Omanreise. Die im gleissenden Sonnenlicht des Tages beinahe farblosen kaum graublauen bis zu 2478 Meter hohen Nakhl-Berge verwandeln sich im Spätnachmittagslicht und bei Sonnenuntergang in gelbbraune Massive mit braunvioletten Schatten. In gleiche Farbe getaucht wird das ihnen zu Füssen liegende Nakhl.

Birka und Schar


Naturgemäß enstanden auch in der Batinah, dem flachen etwa 30km breiten Küstenland Bollwerke gegen fremde Eroberer. Im unmittelbar am Meer liegenden 1-3km breiten und fruchtbaren Küstenstreifen sind außerhalb der heutigen Hauptstadt noch zwei Festungen sehenswert. Birka ist äußerlich gut erhalten, seine Innenräume aber teilweise zerstört oder verfallen. Schar dagegen macht einen wesentlich besseren Eindruck. In seinen weißen Mauern hat das Militär einen Stützpunkt.

Omans alter und neuer Regierungssitz in Maskat mit dem Sultanspalast und ihre nur wenige Kilometer entfernte Schwester- und Hafenstadt Mutrah gehören von der geografischen Lage her zu Arabiens schönsten Städten. Und wegen ihrer Festungen auch zu den interessantesten.

Festungen Jallali und Mirani


Die ehemals portugiesischen Festungen Jallali und Mirani stehen sich wie Wachposten am schmalen Eingang des Naturhafens (heute Marinestützpunkt) der Landeshauptstadt gegenüber. Die zwei bestens erhaltenen Zeugnisse portugiesischer Herrschaft erinnern an die herausragende Rolle Maskats als wichtiger Seestützpunkt und zur Gewinnung des Hinterlandes.

Unter Alphonso de Alburquerque eroberten die Portugiesen 1507/8 im Bunde mit dem Emir von Hormuz Maskat (Muskatnuss) sowie andere Küstenorte. War vorher die Stadt Hormuz Zentrum des Indienhandels gewesen, so kontrollierten nunmehr die Portugiesen von Maskat aus die Handelswege nach Asien.

Wiederholte Angriffe der türkischen Flotte zwangen zum Ausbau Maskats in ein portugiesisches Bollwerk, mit dem Angriffe von See her zurück geschlagen werden konnten. Beide Küstenfestungen waren 1588 fertig gestellt und blieben den Portugiesen bis 1650 erhalten, als diese im gleichen Jahr von den überlegenen Streitkräften der Ya'ariba vernichtend geschlagen wurden. Was den Verlust ihrer omanischen Besitzungen bedeutete.

Lange Zeit diente Fort Jallali als Gefängnis. Doch seit 1970, als Sultan Qaboos alle Gefangenen freiließ, steht es leer und verlassen. Das gegenüber liegende bestens restaurierte Fort Mirani mit seinen Kanonen beherbergt heute die Leibgarde des Sultans.

Festung Mutrah


Als Verstärkung und Ausweitung des befestigten Maskats entstanden im heutigen Mutrah (sein Hafen Mina Qaboos ist Omans wichtigster) weitere Befestigungsanlagen. Begonnen wurde ursprünglich mit dem Bau zweier Wachtürme (in alten Seekarten sind z.B. 1639 zwei Türme ohne Mauern vermerkt), welche später mit Mauern verbunden und zu einer Festung erweitert wurden. Fort Mutrah fiel türkischen Angreifern unter Piri Reis und Ali Bey Ende des 15. Jahrhunderts zwei Mal zum Opfer. Fort Mutrah sollte aber auch Bastion gegen omanische Aggressoren sein. Dank seiner außerordentlich guten und geschützten Lage hoch oben auf dem Felsen der Mutrahbucht konnte es Angreifer mit seinen weitreichenden Kanonen besser in Schach halten, als die schwachen Infanteriekräfte der Portugiesen dazu imstande gewesen wären.

Nach schwierigen und komplizierten Wiederaufbauarbeiten fügt sich die Festung Mutrah hervorragend in das Landschaftsbild am Hafen von Mutrah ein. Noch auf den kahlen Bergeszinnen überragt die Burg alte Kaufmannshäuser, den lebhaften Suq, Neubauten, einige alte Wachtürme und den modernen Hafen.

Festung Bid Bid


Ein gänzlich anderes Bauwerk als die bislang beschriebenen ist die Festung Bid Bid an der Strassengabelung Nizwa-Sur. Das aus Lehmziegelmauern bestehende Fort hatte eine Schlüsselrolle im Verteidigungssystem des flachen Küstenlandes. Die fruchtbaren Felder und Oasen der Batinah gehörten wohlhabenden Dorfgemeinschaften, die es zu schützen galt. Viele Jahrhunderte lang schien das flache, bis an die hohen, unwegsamen Berge des Jabel Akdar heranreichende, Küstenland nur von der Küste her zugänglich zu sein. Eine der ganz wenigen Verbindungen ins Landesinnere bildete das Flusstal des Wadi Sumayil mit seinem Verteidigungssystem aus Festungen und Wachtürmen. Die gut befestigte Oase Bid. Bid mit ihrem Fort war dabei der strategisch wichtigste Punkt, weil von hier aus der Zugang zum Hinterland beherrscht werden konnte.

Fort Bid Bid war fast gänzlich zerstört, seine Lehmziegelmauern an vielen Stellen nahezu erdbodengleich auseinander gefallen, als man 1979 an den Wiederaufbau ging. Heute ist die vollständig restaurierte Festung ein hervorragendes Beispiel der besonders in trockenen Regionen angewandten Lehmziegelbauweise. Als Baumaterial dienten in Bid Bid früher (und beim Wiederaufbau) Dattelpalmenstämme, Matten aus Schilfrohr, Mörtel und aus einem Gemisch aus Steinen und Erde hergestellte Lehmziegel.

Entlang der hervorragend ausgebauten, dem Bett des Wadi bis in die Gegen von Nizwa folgenden Strasse sind immer wieder Wachturmruinen zu sehen. Auch die ehemalige Festung Firq ist heute trotz teilweise verfallener Mauern, noch ziemlich gut erhalten.

Bei Baushar nahe Ruwi-Maskat steht ebenfalls noch eine größere Ruine gleicher Bauart.

Als Sultan Qaboos an die Macht kam, waren viele der omanischen Festungen nur noch einsame verfallene Ruinen. Sandstürme fegten durch Reste von Torbögen. Fensternischen und verlassenen Innenhöfen. Das ölreiche Sultanat aber baut nicht nur Fabriken, Meerwasserentsalzungsanlagen, Straßen, Hotels, Satelittenstationen, moderne Städte und Siedlungen für kommende Zeiten, sondern will auch die Bauwerke seine jahrhunderte alten Geschichte erhalten.








Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen